Samstag, 15. März 2025

Samstagsplausch KW 11/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXI

Bei den ganzen gesundheitlichen Baustellen, die der Gatte hat, freuen wir uns über kleinste Hoffnungsschimmer. So befand die Anästhesistin bei der OP-Vorbesprechung, das Herz des Gatten sei "im grenzwertigen Normbereich", und der Langzeitzuckerwert sank. Dennoch ist weiterhin Dialyse ein Thema, denn Blutdruck und Langzeitzucker sind weiterhin zu hoch, die Niere erholt sich nicht. Zu den Hoffnungsschimmern gehört auch, dass der Gatte im linken Fuß plötzlich wieder ein Schmerzempfinden hat; eine Folge der Stents (in dem Falle sind sogar Schmerzen gut). Ich konnte inzwischen auch die im ganzen Haus verteilten Magnesium-Päckchen verräumen, denn der Gatte hat kaum noch Krämpfe, eigentlich gar nicht mehr. Das und der Umstand, dass der Diabetes etwas besser eingestellt ist, macht unsere Nächste wesentlich ruhiger.

Aus der Erfahrung der letzten fünf Jahre wissen wir allerdings, dass positive Nachrichten selten von Dauer sind, dass die nächste Katastrophe lauert. 

Es fällt schwer, die Hoffnungsschimmer zu sehen, zumal es keine Chance auf Heilung gibt, höchstens eine darauf, den Status Quo zu erhalten, was schon viel wäre. Mal wieder mehr als 100 m am Stück gehen zu können, wäre viel, vor allem für jemanden wie den Gatten, der es bis vor fünf Jahren gewohnt war, lange Spaziergänge oder Wanderungen zu machen. 

Kommende Woche geht's in der Augenklinik darum, ob das Augenlicht des Gatten gerettet werden kann, zumindest auf einem Auge. In der Woche darauf muss ein Krebsverdacht abgeklärt werden, bekommt der Gatte außerdem ein Patch in den rechten Oberschenkel, denn da können keine Stents gesetzt werden. Die OP ist aufwändiger als die am linken Bein, dauert vier Stunden, gefolgt von mindestens einer Nacht auf der Intensiv- und vier Tagen auf der Normalstation - wenn alles nach Plan läuft. Nur: Wann läuft bei uns schon mal alles nach Plan?! Es bleibt angespannt. 

Dem Gatten geht's psychisch nicht gut. Ihm ist erst im Aufklärungsgespräch der Umfang der Patch-OP deutlich geworden. Immerhin geht er in diese OP deutlich besser vorbereitet als in die letzte, waren die Ärzte deutlich netter, entspannter und wertschätzender als bei der letzten Aufklärung. 

Die OP sollte eigentlich schon kommende Woche stattfinden, wurde aufgrund des Streiks aber verschoben. Für mich bedeutet das ganz egoistisch gedacht, dass ich eine Chance habe, zu einer Lesung und zu einem PR-Event gehen zu können, wenn ich die Kraft dazu habe und der Gatte mich nicht braucht. Wenn der Gatte im Krankenhaus ist, bin ich ja zwei Mal am Tag für mehrere Stunden bei ihm, damit ihm nicht fad wird, vor allem, wenn er Bettruhe halten muss. Lesen kann er wegen der Augen aktuell nicht, Hörbücher mag er nicht, und bei den letzten Aufenthalten war ja auch noch der Fernseher kaputt. Zwischen den Besuchen sind Arbeit und Haushalt zu erledigen, da habe ich für nichts anderes mehr Kraft, bin froh, wenn ich mich dann halbwegs selbst versorgen kann. Ich werde wohl auf Fertigfutter und Imbiss-Lieferdienst setzen und hoffe, dass ich in der Zeit, in der der Gatte im Krankenhaus ist, wieder im Heimbüro arbeiten kann, nicht pendeln muss. Mir ist einfach wohler, wenn ich in der Nähe des Krankenhauses bin, falls etwas ist.

"Du wunderst dich nicht ernsthaft darüber, dass du erschöpft bist?", fragte eine Kollegin überrascht. Aktuell brauche ich zwischen zehn und zwölf Stunden Schlaf, schaffe an den Wochen nichts außer schlafen, und damit kann ich nur schlecht umgehen, denn so vieles bleibt liegen. Ich hoffe, das ändert sich etwas nach der RV-fit-Maßnahme. Da meldete sich inzwischen auch die Klinik, damit ich die ersten Fragebögen ausfülle. Ich hätte außerdem sehr gerne Urlaub und hoffe, wir können welchen planen, wenn wir wissen, wie es mit den Augen des Gatten weitergeht. Momentan bestimmen OP- und Arzttermine alles. Ich könnte den Urlaub natürlich auch für OP- und Arzttermine oder Immer-noch-Baustelle und Haushalt nehmen, aber irgendwie möchte ich im Urlaub was Schönes machen, den Kopf freikriegen, wenigstens ein bisschen. 

Was mir aber wirklich gut tat, war die Absage der Einzeltherapie. So sehr ich sie bräuchte, so sehr schätze ich es, nicht noch zwei Stunden mehr in meinen engen Wochenplan quetschen zu müssen, sondern an meinen Echtbüro-Tagen ganz normal Feierabend machen zu können und zur Teezeit wieder beim Gatten zu sein (sofern der Metronom halbwegs nach Plan fährt). Das entspannt ungemein, und ich habe wieder Lust, etwas zu unternehmen. Dafür fehlte mir in den Wochen mit Zwölf- bis Vierzehn-Stunden-Tagen oft die Kraft (und durch die Arzttermine, zu denen der Gatte Begleitung braucht, habe ich ja weiterhin reichlich lange Tage, aber zumindest einer in der Woche entfällt).

"Soll ich das Wasser drin lassen?", fragte die Verkäuferin, und auf mein eloquentes "Hä?" erfuhr ich, dass der Preis für den Strauß die Vase beinhaltet. Das scheint ein neuer Trend zu sein, sah ich jetzt schon in zwei Geschäften.

Ich habe angefangen, mir jede Woche beim Wocheneinkauf einen Blumenstrauß mitzunehmen, absolut dekadenter Luxus, ich weiß. Bevor der Gatte krank wurde, bekam ich jede Woche einen Strauß von ihm, aber daran ist schon lange nicht mehr zu denken. Vor einem Jahr schenkte er mir noch Blumen zum Hochzeitstag, in diesem Jahr ging auch das unter, auch, weil wir beide malad waren. 

Schweigermutter, die letzte Woche so schwer erkältet war, war dann doch noch beim Arzt und hörte sich Mitte der Woche schon besser an. Es ist allerdings nach wie vor sehr schwierig, mit ihr zu kommunizieren, weil sie weiterhin total verwirrt ist. So konnte ich noch immer nicht in Erfahrung bringen, ob sich mit der privaten Krankenversicherung mit der Gatten was so geregelt hat, dass die Erstattungen auf mein Konto gehen, nicht auf ihres. Ich hatte gehofft, dass alternativ über das Online-Portal der Krankenkasse zu erfahren, aber dort bekomme ich nur Fehlermeldungen. Ich muss mich da kommende Woche mal durchtelefonieren, in der Hoffnung, dass zumindest die Vollmacht, die mir der Gatte ausstellte, inzwischen verarbeitet wurde und ich auf eine plietsche CCA treffe. 

Hier gilt seit mittlerweile 261 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte und hoffe sehr, das bleibt so. 

Im Büro ist es zurzeit ausgesprochen anstrengend. Wir werden immer mehr auf Behörde gedrillt, dürfen nichts mehr selbst entscheiden. Selbst, wenn eine Auftragsvergabe xmal besprochen ist, schon die Einwilligung der Chefs vorliegt, muss ich vor der Vergabe nochmal nachfragen, ob der Auftrag nun auch ganz sicher vergeben werden soll - und nach der Vergabe hoffen, dass die Einwilligung nicht zurückgezogen wird. Das kam schon vor und machte einiges kaputt, macht uns unzuverlässig, unglaubwürdig. Früher konnte ich im Rahmen meines Budget selbst entscheiden. Ich hoffe, ich finde bald Zeit und Kraft, mich um die Kontenklärung der der Rentenversicherung zu kümmern, denn ich möchte in zwei Jahren in Rente gehen (vorausgesetzt, der Gatte hält so lange durch). 

Außerdem galoppieren mal wieder Grippe- und andere Viren durch's Büro. Die Infektionsketten sind dabei immer ganz klar: Es gab eine Veranstaltung, meistens mit Kindern und Jugendlichen, und spätestens drei Tage später liegen die Kolleginnen, die teilnahmen, flach. Hinterher kommt dann gerne "Vielleicht hätte ich doch besser Maske getragen!", nur: Auch bei der nächsten Veranstaltung trägt keine Maske. Die einzige, die bei solchen Veranstaltungen konsequent Maske trägt, bin ich. Mich steckte in dieser Saison bislang immer der Gatte an ... Ich hoffe, er schafft es bis zur OP in zwei Wochen, sich von Erkältungen und Grippe fernzuhalten (und fängt sich auch im Krankenhaus nichts ein).

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

1 Kommentar:

  1. Ich finde das mit dem Blumenstrauß überhaupt keinen dekadenten Luxus. Alles, was Dich stärkt, nährt und Dir gut tut, ist wichtig und richtig. Ich wünsche Dir Inseln, wo Du zu Kräften kommst und Menschen, die Dich unterstützen wo Du es brauchst.

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