Samstag, 13. September 2025

Samstagsplausch KW 37/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXVII

Sonntag saßen wir auf der Terrasse, hatte ich nach neun Wochen endlich mal wieder die Muße, in Ruhe die Lokalpostille zu lesen. Ich entdeckte eine Todesanzeige für den jungen Mann, der mit dem Gatten zwei Tage das Zimmer teilte. Er kam an einem Donnerstag als Notfall, war sehr schwach und desorientiert, als er zum Gatten auf's Zimmer verlegt wurde. Zwei Tage später wurde er dann hektisch auf die Intensivstation verlegt. Wiederum zwei Tage später starb er. Wir sind traurig und geschockt. Dem Gatten steckt der Besuch der Eltern des jungen Mannes in den Knochen. Sie haben ihn über Stunden beschimpft, weil er nicht eher ins Krankenhaus ging. Sie brachten ihm allerdings auch eine Rose mit, die im Krankenzimmer vergessen wurde, als alle Sachen des jungen Mannes eingepackt wurden. Ich hatte nach drei Tagen Mitleid mit dem zunehmend trockner werdenden Pflänzchen und nahm es mit nach Hause, wo es seitdem üppig blüht. Die Mitnahme war vermutlich moralisch verwerflich, aber ich konnte nicht anders.

Insgesamt reden wir in diesen Tagen viel über das, was der Gatte in neun Wochen Krankenhaus erlebte. Es wird dauern, bis er die vielen Eindrücke verarbeitete. Erfreulicherweise erledigte sich aber manches, was mir im Krankenhaus Kopfzerbrechen machte, quasi sofort nach Ankunft des Gatten zu Hause, ist das Delir komplett verschwunden.

Montag und Dienstag hatten eine hohe Schlagzahl, vor allem für den Gatten, der ja neun Wochen quasi nur im Bett lag oder mit dem Rollstuhl geschoben wurde, sich kaum bewegte, jetzt aber partout wieder Normalität haben möchte. Nur spielt da sein Körper nicht mit. Montag wollte der Gatte unbedingt nur mit einem Stock gehen, Dienstag nahm er den Rollator. Der Rollstuhl wäre in beiden Fällen die bessere, da weniger anstrengendere,  Wahl gewesen, aber auf den möchte der Gatte möglichst verzichten. Leider will der Gatte im Haus auch möglichst auf den Stock verzichten. So sehr ich das verstehen kann, so sehr habe ich im Gedächtnis, dass der Verzicht auf einen Stock letztlich meiner Mutter das Leben kostete. 

Wir waren beim neuen Nephrologen, und der Wechsel scheint eine gute Idee gewesen zu sein. Nicht nur, weil uns die Fahrt nach Hamburg erspart bleibt, sondern auch, weil der Gatte von nur einem Arzt behandelt wird. In der Hamburger Praxis hatte er jedes Mal einen anderen Arzt. Das machte ihn irre. Die hiesige Praxis ist auch insgesamt kleiner und ruhiger, was ebenfalls wohltuend ist. Der neue Nephrologe macht einen guten Eindruck. Wir konnten einige offene Fragen klären, zum Beispiel die nach der Dialyse, die immer wieder im Raum stand, zuletzt im Krankenhaus, wo sie der Gatte angeblich verweigert haben soll. Da ich bei so ziemlich allen Arztgesprächen dabei war, war ich irritiert, denn es war nicht von einer Dialyse die Rede. Dafür sah auch der Nephrologe keinen Grund. Die Niere ist auf niedrigem Niveau stabil.

Wir waren auch beim Diabetologen, der in der Fußambulanz die Wundversorgung des Gatten übernimmt. Beim Saubermachen der Amputationswunde zeigte sich, wie "gründlich" das Krankenhaus die Wunde säuberte: Es befanden sich noch Fäden in der Wunde - seit über sieben Wochen! Wundmanagerin und Ärztin waren fassungslos. Dass der Gatte eine tödlich verlaufende Pilzinfektion hat, ist schlichtweg kein Wunder. Die Fäden sind gezogen, und künftig sind wir alle zwei Wochen in der Fußambulanz. Dazwischen übernimmt der Pflegedienst. Sollte sich die Wunde entzünden, können wir jederzeit in die Fußambulanz. Entscheidend für den Verlauf der Pilzinfektion ist nach wie vor, dass die Wundsituation stabil bleibt. Umso länger kann der Gatte leben. 

Beim Diabetologen gab's eine Überraschung: Der Langzeitzuckerwert des Gatten ist so gesunken, dass er fast im Normbereich ist! Das ist nach über 20 Jahren das erste Mal! Das Leben hat einen seltsamen Humor: Der Gatte stirbt an Candidose, aber mit sehr gut eingestelltem Blutzucker. 

Der Haus- bzw. Palliativarzt war da und befand, der Gatte sei noch kein Palliativpatient. Äh, bitte was?! Seiner Meinung nach werden die kommenden vier Wochen zeigen, in welche Richtung es bei dem Gatten gehe. Erst dann würde der Hausarzt ihn als palliativ einstufen. Bleibt der Gatte hingegen fieberfrei, dürfen wir vorsichtig Hoffnung schöpfen.

Okay, der Gatte ist Schrödingers Palliativpatient.

Wir wissen aktuell nicht, was wir davon halten sollen, was wir denken oder fühlen sollen. Es widerspricht allem, was uns die Ärzte im Krankenhaus sagten. Andererseits: Wir vertrauen dem Hausarzt. Der Gatte kämpft tapfer. Er will leben, so lange wie irgend möglich, selbstbestimmt. Er wird langsam selbstständiger, kräftiger, beweglicher, die Muskulatur wird stärker. Die vor einer Woche montierte  Aufstehhilfe am Bett braucht der Gatte kaum noch, und die seit drei Tagen vorhandene Aufstehhilfe am Sofa immer seltener (das Aufstehen vom Sofa war schon zu besseren Zeiten schwierig).

Sicher ist, dass wir durch die zurückgenommene Palliativ-Einstufung weniger Unterstützung bekommen, und das, wo der Gatte jetzt doch erheblich mehr Pflegebedarf hat. Das belastet vor allem mich, da bin ich ganz egoistisch, denn über das Palliativnetz hätte ich Tag und Nacht jemanden erreichen können bei Fragen oder Problemen. Der Gatte ist da wesentlich gelassener.

Der Hausarzt strich zudem den Medikamentenplan aus dem Krankenhaus zusammen, der drei DinA4-Seiten umfasste. Der Gatte bekam in den letzten Wochen über 30 Tabletten täglich und zusätzlich mehrere Infusionen. Auf dem Plan sind Medikamente, deren Wirkung sich gegenseitig aufhebt, und Medikamente, die doppelt eingesetzt wurden. Es sind Antibiotika dabei, bei denen nicht ersichtlich ist, gegen welchen Bakterienstamm sie wirken sollen - inklusive großzügig eingesetztem Reserveantibiotikum, das laut Hausarzt eher schadet als nützt, eher zum Tode führt. Es sind Medikamente dabei, die für den Gatten gar keinen Nutzen haben, nicht zu seinen Erkrankungen passen usw.. 

Als ich mich daran machte, die Tabletten des Gatten zusammenzustellen, stellte ich fest, dass er schon seit einigen Tagen manche Medikamente gar nicht mehr bekam, die er braucht. Das Krankenhaus gab uns nämlich einen Vorrat für eine Woche mit, und da fehlte einiges. Im Krankenhaus hatten wir ohnehin keinen Überblick, welche Medikamente der Gatte bekommt.

Die Entscheidung, den Gatten nach Hause zu holen, begrüßte der Arzt. Das sei die beste Therapie und Medizin. Zu Hause hätte der Gatte eine bessere Chance, sich zu erholen. 

Hoffen und beten.

Eigentlich sollte diese Woche die Augenbehandlung des Gatten fortgesetzt werden, aber der Hausarzt bat darum, damit noch vier Wochen zu warten, bis wir vielleicht wissen, ob der Gatte stabil ist. Der Gatte stimmte zu, worüber ich ganz froh war, denn so hatte er einen ruhigen Tag, hatte ich einen Tag, an dem ich diversen Schriftkram und unseren Wocheneinkauf erledigen konnte. Es fällt mir immer schwer, den Gatten alleine zu lassen, vor allem, weil er noch keinen Hausnotruf und keinen Treppenlift hat. Treppensteigen fällt ihm sehr schwer. Während ich beim Einkaufen war, probierte er allerdings aus, ob er in sein Eisenbahnzimmer auf dem Dachboden kommt ... Ja, er schaffte es, was ihm wieder Auftrieb gab. Generell fällt es ihm aber unendlich schwer, Treppen zu steigen, kann er nur ein paar Schritte gehen, ist bei mehr als ein paar Metern im Rollstuhl noch am besten aufgehoben.

Nach dem Hausarztbesuch war ich so neben der Spur, dass ich ohne nachzudenken einen "Kalender für Zwei" für das kommende Jahr bestellte. Erst danach ging mir auf, dass ja alles andere als sicher ist, dass wir kommendes Jahr noch zu zweit sind. Seit 25 Jahren bestelle ich den Kalender jedes Jahr um diese Zeit, da dachte ich jetzt gar nicht nach.

Viele Gedanken mache ich mir über unsere Grabstätte. Am liebsten wäre uns beiden eine Wald-Bestattung, aber die beiden in Frage kommenden Friedhöfe sind nur mit Auto / Taxi oder mit ÖPNV-Irrfahrten zu erreichen. Eine Taxifahrt kostet aktuell geschmeidige 65 Euro. Der Friedhof, der zu Fuß zu erreichen wäre, auf dem meine Eltern und Großeltern liegen, ist kirchlich, kommt also für uns nicht in Frage. Der städtische Friedhof wäre mit einer einfachen Busfahrt zu erreichen, liegt aber nicht so schön wie die Bestattungswälder. Solange ich arbeite bzw. noch Autofahren kann, muss ich mir über Taxikosten keine Gedanken machen, aber mit der Verrentung werde ich dafür kein Geld mehr haben. Irgendwie alles doof.

Und dann hatte ich mich gerade dazu durchgerungen, dass wir nach zwei Grabstätten in dem Bestattungswald gucken, der uns am besten gefällt, ich schon mal anfange, für die Taxikosten zu sparen, da meint der Gatte, er solle doch keine Feuer- sondern lieber eine Erdbestattung, was wieder zum städtischen Friedhof führt. 

Diese Woche wurde auch ein Treppenlift in Auftrag gegeben. Er wird in ca. zwei Monaten geliefert und eingebaut. Denken wir mal optimistisch, dass der Gatte das noch erlebt ... Es gibt ja keine Prognose zur Lebenserwartung mit Candidose. Beim Treppenlift haben wir uns für einen lokalen Anbieter entschieden. Der Vertreter des werbestarken Unternehmens, das überall auftaucht, war uns zu sehr auf's Verkaufen um jeden Preis aus und enttäuscht, dass wir Bedenkzeit brauchten, nicht sofort den Vertrag abschlossen. Aber bei einer fünfstelligen Summe möchte ich dann doch mal einen Moment nachdenken.

Stricktreffen, diesmal mit Sushi, weil einige von uns Hunger hatten.

Diese Woche konnte ich auch zum Stricktreffen gehen. Der Gatte befand, er sei stabil genug, um ein paar Stunden alleine zu sein, und die Aufstehhilfe für's Sofa kam einen Tag vorher, so dass auch keine Gefahr bestand, dass er dort hilflos strandet. Montag kommt der Hausnotruf, dann kann ich den Gatten beruhigter alleine lasse. Wir hätten uns gerne für die Notruf-Variante entschieden, die auch draußen funktioniert, aber die ist auf unbestimmte Zeit nicht lieferbar - und wer weiß, wann der Gatte wieder alleine draußen unterwegs sein kann.

Gestern waren wir auf dem Stadtfest. Der Gatte freute sich sehr darauf. Ich schob ihn die ganze Zeit im Rollstuhl, denn er war vernünftig genug, nicht den Rollator nehmen zu wollen - anderthalb Kilometer können lang sein, wenn man alle zehn Meter eine Pause braucht. Als wir gerade loszockeln wollten, kamen die überrechten Nachbarn aus der Tür. Die Nachbarin begleitete uns den ganzen Weg (ihr Mann rannte vor; da ist mal wieder Ehekrise) und gab mir hilfreiche Tipps zum Umgang mit dem Rollstuhl an Bordsteinen und den Kabelkanälen, die auf dem Festplatz alle paar Meter liegen. Es war ein schöner Ausflug. Doof war nur, dass es anders als im letzten Jahr keine Tische und Bänke gab, an denen man in Ruhe essen und trinken kann. Der Gatte hatte seine Sitzgelegenheit ja dabei, aber ich musste im Stehen essen, was ich blöd fand. 

Hier gilt seit mittlerweile 287 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse. 


Freitag, 12. September 2025

#pmdd2025: Der 28. August 2025

An jedem 28. eines Monats ist Picture my Day-Day, kurz pmdd. Ich finde, das ist ein schönes Tagebilderbuch. Mitmachen ist einfach: Fotos vom Tag machen, bloggen oder mit #pmdd2025 auf Twitter oder Instagram einstellen. Gesammelt wird alles auf dieser Seite.

Acht Wochen im Krankenhaus ... Eine weitere Woche wird folgen.

Heute gibt es nur ein Bild. Der Gatte ist seit sechs Wochen im Krankenhaus. Es gibt keine Prognose mehr, keine Chance auf Heilung. Wir entscheiden heute, dass er nach Hause in die palliative ambulante Versorgung geht. Es ist ein schwerer Tag.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 28. August 2020 lebte sich Schwiegermutter gerade in der Seniorenwohnanlage ein, war der Gatte noch gesund, fuhren wir am kommenden Tag nach Dänemark. Am 28. August 2021 war der Gatte schon krank, wartete auf die Entscheidung über seine Verrentung, musste ich arbeiten, holten wir abends Tante ab, um in der kommenden Woche einen runden Gatten-Geburtstag zu feiern. Am 28. August 2022 waren wir noch so optimistisch, spätestens im kommenden Frühjahr ins alt-neue Haus zu ziehen. Am 28. August 2023 bezweifelten wir, dass wir überhaupt noch dort einziehen werden. Am 28. August 2024 waren wir umgezogen und erlebten einen kurzen Moment der Normalität.

Donnerstag, 11. September 2025

#12von12 im August 2025

Caro von "Draußen nur Kännchen" sammelt wie jeden Monat am 12. des Monats 12 Impressionen des Tages - vielen Dank dafür! Hier kommen meine August-Bilder.

#1: In unser aktuelles Krankenzimmer scheint der Vollmond.

#2: Körperpflege für den Gatten. Er ist noch zu schwach, das selbst zu machen.

#3: Außer auf den Gatten aufzupassen, stricken und lesen habe ich nicht viel zu tun. Aktuell lese ich die Thriller von Cara Hunter*.

Der Gatte ist seit bummelig fünf Wochen im Krankenhaus. Ich schlafe seit zwei Nächten bei ihm, um ihm aus dem Delir zu helfen. 

#4: Mittagessen. Laut Plan mediterraner Seelachs mit ebensolchem Gemüse. Keine Ahnung, wo das Mittelmeer war ... Die Knusperhaube war aber lecker.

#5: Der Zustand des Gatten ist kritisch. Er kommt auf die Überwachungsstation.

#6: Auf der Überwachungsstation dürfen Angehörige nicht übernachten, also packe ich mein Backbeermus und fahre schweren Herzens nach Hause. 

Der Zustand des Gatten verschlechtert sich, und im Laufe des Tages kommt er auf die Überwachungsstation, so dass ich wieder zu Hause schlafe. Ich frage eine der behandelnden Ärztinnen, ob ich mir angesichts der Verschlechterung des Zustandes Sorgen machen müsse. Sie verneint. Das ist allerdings die Ärztin, die seit bummelig fünf Wochen mit Falschdiagnosen daher kommt. Später wird sich zeigen: Meine Sorge war berechtigt. Der Gatte schwebte zwei Tage in Lebensgefahr. Inzwischen ist er wieder zu Hause. Das Krankenhaus stufte den Gatten als palliativ ein. 

#7: Das Abendessen auf den Weg bringen.

#8: Das Abendessen ist fertig: Ofenpfannkuchen mit Bickbeeren.

#9: An den Socken für eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen weiterstricken.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 12. August 2020 war der Gatte noch gesund, arbeitete in Kurzarbeit, und es war sehr heiß. Am 12. August 2021 war der Gatte schon krank, musste in einer Klinik durchgecheckt werden, war Gott sei Dank ohne Befund - und es war sehr heiß. Am 12. August 2022 war es - oh, wunder - sehr heiß, waren wir plötzlich Hausbesitzer. Am 12. August 2023 wollten wir eigentlich schon seit vier Monaten ins Haus umgezogen sein. Am 12. August 2024 waren wir umgezogen und genossen einen kurzen Moment der Normalität.

#10: Wieder ein Tag Krankenhaus geschafft. Es sollen noch viele weitere folgen. Diese Woche bestellte ich ohne nachzudenken wie jedes Jahr um diese Zeit einen "Kalender für Zwei"* für das kommende Jahr. Dabei ist mehr als ungewiss, ob wir dann noch zu zweit sein werden. 

#11: Das Kuschelrudel will noch etwas lesen*, aber Schnuffi hält Ausschau nach Herrchen, das doch irgendwann mal durch die Schlafzimmertür kommen muss. 

#12: Gute Wünsche ins Universum schicken.

Das Rezept zum Tag gibt es in der Kombüse. / *Affiliate links

Mittwoch, 10. September 2025

#pmdd2025: Der 28. Juli 2025

An jedem 28. eines Monats ist Picture my Day-Day, kurz pmdd. Ich finde, das ist ein schönes Tagebilderbuch. Mitmachen ist einfach: Fotos vom Tag machen, bloggen oder mit #pmdd2025 auf Twitter oder Instagram einstellen. Gesammelt wird alles auf dieser Seite.

Wäsche aus dem ersten Stock mit nach unten nehmen. Den Briefblock brauche ich für einen Brief an die Ostsee-Tante.

Der Gatte liegt auf der dritten Station in drei Wochen im inzwischen vierten Zimmer. Auf dieser Station gibt es einen Wartebereich, in dem ich sitze, während der Gatte zu einer Untersuchung gefahren wurde. Die Uhr geht übrigens falsch.

Jetzt darf der Gatte endlich raus. Ich bleibe bei ihm bis nach dem Mittagsessen, wie jeden Tag.

Die Mittagspause nutze ich, um einzukaufen. Der Gatte braucht Melonennachschub.

Ich mache Schnäppchen und fühle mich wie eine gute Hausfrau.

Blumen und ein LTB für mich. 

Endlich frühstücken ... Morgens kam eine Sandkastenfreundin vorbei, um mich einfach mal zu drücken, und vor lauter Gedrücke schaffte ich nicht mein Frühstück. Die Aprikosen sind übrigens regional aus dem Alten Land.

Eines der vor vier Wochen bestellten Bücher wird geliefert.

Wäsche abnehmen.

Wassermelonennachschub für den Gatten.

Der Gatte liegt seit über drei Wochen im Krankenhaus, und wie jeden Tag bin ich etwa acht Stunden bei ihm, unterbrochen von einer Mittagspause.

Endlich wieder beim Gatten!

Wie jeden Tag bleibe ich, bis der Gatte zu Abend aß - mindestens. Meisten gehe ich erst gegen 20 Uhr wieder nach Hause.

Blich aus dem aktuellen Krankenzimmer auf die Baustelle des Krankenhauses.

Der Hoptimist möchte nach Hause, das ohne den Gatten so schrecklich leer ist.

Die Spülmaschine wird aktuell selten voll, aber heute lief sie tatsächlich mal wieder.

Kaum ausgeräumt, wird die Spülmaschine auch schon wieder eingeräumt.

Am kommenden Tag hole ich Essen vom Schlachter und stelle schon mal die Rebowls bereit, damit ich die nicht vergesse.

Ich habe es endlich geschafft, die perfekte TK-Pizza zu backen!

Ich bin aktuell so fertig, dass ich keine Socken stricken kann. Ein Schal in glatt rechts geht gerade so.

Das Kuschelrudel will vor dem Einschlafen noch etwas lesen*.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 28. Juli 2020 war der Gatte noch gesund und mit der Haushaltsauflösung seiner Mutter beschäftigt. Zwei Tage später wurde ihr Haus an die Käufer übergeben. Zwei Jahre später ist er mit der Haushaltsauflösung meiner Mutter beschäftigt. Am 28. Juli 2021 war der Gatte schon krank, beschäftigte mich ein ominöser Tumor-Verdacht (der sich ein Vierteljahr später zum Glück nicht bestätigte, da die gefunden Tumore gutartig sind). Am 28. Juli 2022 machte ich erste Erfahrungen mit der Ölheizung, zog meine Mutter aus der Kurzzeitpflege in die stationäre Pflege um, hatten wir noch die Hoffnung, dass sie im Pflegeheim heimisch wird und sich dort wohlfühlt. Am 28. Juli 2023 lebten wir seit einem Jahr auf einer Baustelle, pendelten zwischen Haus und Wohnung. Am 28. Juli 2024 waren wir umgezogen, war unsere Küche fertig, dachten wir, wir könnten endlich im alt-neuen Haus ankommen. Ein Jahr später würde unser Leben mal wieder auf den Kopf gestellt. / *Affiliate link

Sonntag, 7. September 2025

Samstagsplausch KW 33/25 bis 36/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXIII bis CCLXXXVI

"Ich fasse es nicht, dass mein Körper jetzt von Pilzen aufgefressen wird!", sagte der Gatte, nachdem wir vorletzten Donnerstag entschieden, dass er das Krankenhaus verlässt und palliativ zu Hause weiterbehandelt wird. Nachdem er mit Beinvenentransplantation und Amputation zwei schwere Operationen überstand, wird ihm nun eine Candidose, eine Pilzinfektion, das Leben kosten (zusammen mit diversen anderen multiresistenten Keimen und Bakterien, die er sich im Krankenhaus zuzog). 

Die Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause fiel, weil es im Krankenhaus keine Perspektive gab, wie lange eine Behandlung dauern und ob sie Erfolg hat. "Wir müssen von Tag zu Tag abwarten", hieß es, nachdem die ursprünglichen zwei Wochen der Antimykotikum-Gabe ohne Erfolg vorbei waren. Bis dahin hieß es, in dem Zeitraum sei der Gatte garantiert pilzfrei. War er nicht. Jedes Organ ist von Pilzen, Bakterien oder Keimen befallen. Daraufhin entschied der Gatte, lieber zu Hause zu sterben als im Krankenhaus, denn seitens der Ärzte gab es keine Prognose, dass er die Candidose angesichts seiner Vorerkrankungen überstehen könnte, dass Bakterien oder Keime bekämpft werden könnten. Die einen sagen so, die anderen sagen so ... Die Wahrscheinlichkeit, dass der Gatte Pilze, Bakterien und Keime wieder los wird, ist realistisch betrachtet verschwindend gering, wäre geradezu ein Wunder. Nicht, dass wir etwas gegen ein Wunder hätten ... 

In den nächsten Tagen kümmern wir uns um Testament und Grabstelle. Alles andere wie die Auflösung der Sammlungen des Gatten haben wir schon im Krankenhaus besprochen. Der Gatte hielt sein Versprechen, älter zu werden als sein Vater, wenngleich wir uns gewünscht hätten, dass es mehr als ein Jahr sein würde. Den Geburtstag feierten wir im Krankenhaus. Seitens des Krankenhauses gab's Glückwünsche und eine Überraschung. Schwiegermutter kam zu Besuch. Es war ein schöner Tag, gemessen an den Umständen.

In gewisser Weise hielt der Gatte auch sein Versprechen, mich nicht mit 60 Jahren zur Witwe zu machen, wie es Mudderns, Schwiegermutter und Tante geschah. Nach aktueller Prognose werde ich jünger sein. Bis es soweit ist, machen wir uns eine möglichst gute Zeit, werden wir versuchen, so viele Pläne wie möglich umzusetzen.

Nach der Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause dauerte es noch über eine Woche, bis der Gatte so weit stabilisiert war, dass ich ihn mit nach Hause nehmen konnte. Vor allem in den letzten zwei Tagen, als der Entlassungstermin feststand, bekam er immer wieder Fieber und Schüttelfrost, war zu schwach für eine Entlassung. Vorgestern war er schon entlassen, als er zusammenklappte und ich ihn wieder einweisen ließ. Seit gestern ist er endlich zu Hause.

Mit der Entscheidung zur Palliativpflege zu Hause ging es dem Gatten psychisch schlagartig besser. Das Krankenhaus sorgte dafür, dass wir sofort mit der Palliativärztin sprechen konnten, und leitete alle weiteren Maßnahmen ein. So ist auch eine Therapiebegrenzung festgelegt, falls es dem Gatten nicht vergönnt sein sollte, friedlich zu Hause einzuschlafen, er im Krankenhaus intersivmedizinisch behandelt werden muss. Der Hausarzt des Gatten ist in einem Palliativnetzwerk, übernimmt die Betreuung. Zu dem Netzwerk gehört auch der bisherige Pflegedienst, so dass der Gatte von vertrauten Gesichtern umgeben ist. Rechtzeitig zur Entlassung wurden diverse Hilfsmittel geliefert. Auf ein Pflegebett möchte der Gatte solange wie möglich verzichten, aber eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen befreite in einem Kraftakt die Stube von den letzten Umzugskartons, so dass dort ein Pflegebett stehen könnte. Vorerst wünscht sich der Gatte aber einen Relax-Sessel.

Als ich Mitte August zum Gatten ins Krankenhaus zog, sorgte ich erstmal für einen geregelten Tagesablauf, Körperpflege und Mobilisierung. Der Gatte, der aufstehen durfte, bekam nämlich keine Physiotherapie, lag nur im Bett, war inzwischen zu schwach, alleine aufzustehen, so sehr er es auch wollte und versuchte. Wir fragten mehrfach nach Physiotherapie, aber da kam erst jemand, als klar war, dass der Gatte palliativ ist. Dann gab's exakt eine Behandlung. Als erstes sorgte ich dafür, dass der Gatte sich anzog und wir am Tisch aßen. Ich wusste ja, dass er es kann und will, nur eben Hilfe braucht. Schon der Umstand, dass der Gatte am Tisch saß, sorgte bei Ärzten und Pflegekräften für Erstaunen. Als er letzte Woche dann am Rollator und später am Stock den Krankenhausflur entlang ging, selbstständig mit dem Rollstuhl unterwegs war, fielen die Kinnladen herunter. 

In der kommenden Woche werde ich mich um Krankengymnastik für den Gatten kümmern. Die müssen wir selbst zahlen, denn der Gatte ist ja jetzt palliativ, da lohnt sich das nicht mehr. Der Gatte hat aber einen starken Lebenswillen und will so lange wie möglich so viel Normalität wie möglich. Obwohl schnellstmöglich ein Treppenlift eingebaut wird, will der Gatten wieder Muskeln aufbauen, die es ihm ermöglichen, Treppen zu steigen. Er will sich außerhalb des Hauses auch ohne Rollstuhl bewegen, am liebsten auch ohne Rollator, denn die Beine funktionieren jetzt ja wieder. Deswegen verweigerte er auch die Aufstellung eines Pflegebettes im Esszimmer, wo er bis zum Einbau des Treppenliftes hätte schlafen sollen. Es zeigte sich gestern aber schnell, dass Treppen eine unwahrscheinliche Kraftanstrengung für ihn sind. 

Das Krankenhaus setzte dem Gatten unheimlich zu, nicht nur die lange Zeit, sondern auch die äußeren Umstände. Durch die häufigen Zimmer- und Stationswechsel wurde die Amputationswunde nicht mehr regelmäßig versorgt - der Gatte verschwand einfach vom Radar. Kein Wunder, dass sich von der Wunde ausgehen eine Candidose entwickelte. Wir mussten uns die regelmäßige Wundversorgung ertrotzen. Die Wundversorgung soll laut einem behandelndem Arzt täglich stattfinden, aber ein anderer entschied, alle zwei Tage oder bei Bedarf reiche. So ist denn jetzt auch die Verordnung für den Pflegedienst, obwohl im Entlassungsbrief eindeutig tägliche Wundversorgung steht. Ich hoffe, ich kann das morgen beim Gespräch mit dem Palliativarzt geradebiegen. Ich hoffe auch, dass er die vielen neuen Medikamente verordnet. Normalerweise besteht er darauf, dass das der jeweilige Facharzt macht, aber bis wir dort Termine bekommen, wird es dauern, und der Gatte braucht ja seine Medikamente.

Der Gatte wird nach der Entlassung auch nicht mehr durch die Wundambulanz des Krankenhauses versorgt - lohnt ja nicht mehr bei einem Palliativen. Ich hoffe, die Fußambulanz des Diabetologen kümmert sich darum, denn der Pflegedienst wechselt ja nur die Verbände, aber reinigt die Wunden beispielsweise nicht. Eigentlich müsste auch noch eine Hauttransplantation erfolgen, aber wie gesagt: Lohnt ja nicht mehr bei einem Palliativen.

Rund um die Uhr fuhrwerkte im Krankenhaus irgendjemand am Gatten herum, bekam er neue Infusionen oder Zugänge, wurde ihm Blut abgenommen, egal, ob er schlief oder nicht. Teilweise wurde noch nicht mal mit ihm gesprochen, wurde ihm nicht erklärt, was mit ihm gemacht wird, wurden die Verbände abgenommen und erst Stunden später erneuert. Solange lag der Gatte dann mit barfen Füßen da, schlurfte so auch schon mal auf die Toilette, wenn niemand auf sein Klingeln reagierte - wie gesagt, die Candidose kam nicht aus heiterem Himmel. Einige Ärzte sprachen auch nicht mehr mit dem Gatten, sondern nur noch mit mir, wogegen wir vergeblich protestierten. In den drei Wochen, die ich im Krankenhaus wohnte, gab's eine Ärztin, die sich weigerte, nachts einen neuen Zugang zu legen, und darauf bestand, dass der Gatte seine Nachtruhe hat. Ansonsten gab's auch schon mal mitten in der Nacht neue Zugänge (der Gatte hat schlechte Venen, weswegen er alle naslang neue Zugänge brauchte). Mit jeder Störung glitt der Gatte wieder ins Delir ab, wurde verwirrter, aggressiver, verzweifelter, wütender. Highlight war, dass man wollte, dass wir spätabends das Zimmer wechseln, obwohl der Gatte so fest schleif, dass ich ihn nicht wach bekam. Da eskalierte ich. Der Gatte hatte so oft den Eindruck, er sei woanders aufgewacht, als er einschlief, weil ihn die ständigen Zimmerwechsel überforderten, und dann das. Nach einigen Telefonaten stand fest: Wir durften am kommenden Morgen nach dem Frühstück wechseln. Für die letzten zweieinhalb Wochen hatten wir dann ein Dreibettzimmer nur für uns. Das Zimmer hatte sogar einen Balkon. Ich sorgte dafür, dass es so wohnlich wie möglich wurde.

Dass der Gatte kaum zur Ruhe kam, lag auch an dem Umstand, dass das Krankenhaus im laufenden Betrieb umgebaut wird. Das bedeutete bis zu zehn Stunden täglich an bis zu sechs Tagen Baulärm. So oft es ging, entflohen wir vor das Krankenhaus und saßen in der Sonne. Ich strickte, der Gatte rauchte seine Pfeife, wir redeten. Außerdem lernten wir unwahrscheinlich nette Menschen kennen, führten gute Gespräche. Das war eine sehr intensive Zeit.

Der Gatte stimmte nicht nur endlich einem Treppenlift zu (ich wollte den ja schon prophylaktisch einbauen, als wir das Haus renovierten), sondern auch einem Hausnotruf. Unser Pflegedienst bietet einen an, bei dem tatsächlich auch Hilfe kommt, selbst, wenn es "nur" ein Sturz ist. Beim bisherigen Anbieter, bei dem auch Mudderns war, musste immer erst ein Angehöriger kommen, um sich zu überzeugen, dass es tatsächlich ein medizinischer Notfall ist (dazu zählen keine Stürze), und selbst dann wurde kein RTW geschickt, wenn man nicht bereit war, die Kosten für den Einsatz zu übernehmen, sollte es doch kein medizinischer Notfall sein. Wenn es mit dem jetzigen Anbieter klappt, kann ich den Gatten beruhigter alleine lassen, denn ich habe ja auch noch ein eigenes Leben, möchte beispielsweise schnellstmöglich wieder arbeiten, habe eine Kurzreise gebucht, eine Dienstreise steht auch an. Für die Tage, an denen ich nicht da bin, möchte der Gatte zudem Essen auf Rädern nutzen. Er wird sich demnächst mal durch verschiedene Anbieter probeessen. 

Generell möchte er jetzt alles an Hilfe in Anspruch nehmen, was geht - das ist auch Entlastung und Erleichterung für mich. So liegen denn hier gerade Anträge auf weitere Merkmale einer Schwerbehinderung, weil der Gatte gerne einen Parkausweis und eine Begleitperson hätte. Perspektivisch muss auch der Pflegegrad überprüft werden.

Die ersten Stunden nach Heimkehr des Gatten stimmen vorsichtig optimistisch: Der Gatte fand sich problemlos zurecht. Die Treppen machen ihm zu schaffen, abends musste ich ihn fast hochtragen, aber das wird mit zunehmenden Muskeln hoffentlich besser (heute hat er Muskelkater). Er schlief bis auf einen Albtraum sagenhafte acht Stunden durch. Vor der Nacht hatte ich am meisten Angst, denn aufgrund des Delirs fand der Gatte im Krankenhaus keine Ruhe, halluzinierte, kletterte aus dem Bett, riss dabei Sauerstoffschlauch und Infusionen mit und wollte durchs Krankenhaus irren. Mein Schlaf wurde im Viertelstundentakt unterbrochen, ich wankte irgendwann vor Erschöpfung. Letzte Nacht konnte auch ich durchschlafen. Was für eine Wohltat!

Hier gilt seit mittlerweile 286 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall, im sechsten wurde er ein Palliativfall. Der Gatte ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Herzlichen Dank für die vielen guten Wünsche und Gebete, die mich auf unterschiedlichen Wegen erreichten! Das bedeutet mir sehr viel. Ich hoffe, ich schaffe es, euch allen zu antworten.

Ein Blumengruß von meinen Kolleginnen.

Diese Woche brachte zwei Blumensträuße. Unsere liebe Putzfrau, die den Gatten sehr in Herz schloss und mit uns hofft, betet und bangt, zögerte lange, ob man einem Mann Blumen schenken dürfe, entschied sich dann aber dafür. Der zweite Blumengruß kam von meinen Kolleginnen. 

Ein Blumengruß für den Gatten.

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse

Mittwoch, 20. August 2025

Blog-Pause

Der Gatte ist seit sieben Wochen im Krankenhaus. Es gibt keine Prognose, wann er nach Hause kommen wird. Ich bin erstmal zu ihm gezogen. Bis wir wieder zu Hause sind, ist hier Pause.




Sonntag, 10. August 2025

Samstagsplausch KW 32/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXII

In der fünften Woche Krankenhaus fällt es immer schwerer, weiter zu kämpfen. Der Gatte hat einfach keine Kraft mehr. Donnerstag sollte das Gehtraining beginnen, endlich. Der Gatte freute sich schon so darauf, wieder mehr Selbstständigkeit zu gewinnen. Stattdessen liegt er seit Donnerstagmittag wieder mit ungewisser Prognose zwischen Kathetern und Schläuchen im Bett. Er verfällt zusehends, ist wieder delirant, wird immer schwächer, hat einfach keinen Mut mehr. Seine Wünsche werden immer bescheidener. Inzwischen wäre er schon überglücklich, wenn er im Rollstuhl mal nach draußen dürfte, aber angesichts von Kathetern und Schläuchen ist das nicht mehr möglich. Dabei würden ihm frische Luft, Vogelgezwitscher, Leutegucken und Sonnenschein gut tun. Ich muss immer wieder daran denken, wie glücklich er Dienstag war.

Besonders schlimm sind die Nächte, wenn der Gatte nicht weiß, wo er ist, ich nicht bei ihm sein kann, er desorientiert versucht, mit Schläuchen und Kathetern aufzustehen und stürzt. Er macht dann den Pflegekräften viel Arbeit und macht sich dadurch bei ihnen unbeliebt. Letzte Nacht lag er über Stunden vor seinem Bett, weil er gestürzt war, nicht an die Klingel kam und niemand nach ihm guckte. Heute morgen fand ich ihn halbnackt in Zugluft liegend vor. Er hatte Schüttelfrost und fror. Sein Blutzucker war bei 45; er war seit Stunden im Unterzucker, ohne dass jemand es kontrollierte oder Maßnahmen ergriff. Ich mag mir nicht ausmalen, was geschehen wäre, wäre ich später gekommen. Der Gatte war völlig verängstigt, traute sich nicht, sich ein T-Shirt anziehen oder sich zudecken zu lassen aus Angst, die Pflegekräfte würden dann wieder mit ihm schimpfen. Er ist wirklich am Ende seiner Kraft. Ich habe meinen Mann lange nicht mehr so viel weinen sehen wie in dieser Woche.  

Für Morgen steht eine weitere OP an, die siebte in diesem Jahr, wenn ich mich nicht verzählte. Ob die OP durchgeführt wird, wird morgen entschieden. "Jeden Morgen gibt es eine neue Überraschung, die jeden Therapieplan umwirft", meinte eine Ärztin am Donnerstagabend resigniert. Angeblich soll es die letzte sein, soll der Fuß des Gatten dann wieder soweit hergestellt sein, dass er mit Maßschuhen laufen kann. Soweit die Theorie. In der Praxis wäre es ein Wunder, wenn etwas nach Plan laufen würde. Es fällt mir immer schwerer, dem Gatten Mut zuzusprechen, Optimismus und Zuversicht auszustrahlen. 

Die Augen des Gatten haben sich in den letzten Wochen massiv verschlechtert. Er ist praktisch blind. Eigentlich sollte inzwischen mit der Katarakt-Behandlung begonnen worden sein, aber durch den ausgedehnten Krankenhausaufenthalt verzögert sie sich, ist unklar, ob überhaupt noch etwas Sehkraft wiederhergestellt werden kann.

Mittwoch kam ein großes Paket von der Ostsee-Tante für den Gatten. Ich hatte ihr geschrieben, was bei uns los ist, und sie entschied sich, dem Gatten zur Aufmunterung einen über fünf Kilo schweren Eisenbahn-Atlasses ihres verstorbenen ersten Mannes zu schenken! Im Krankenhaus kann der Gatte das Buch gar nicht lesen, da kein Platz, aber in den wenigen Momenten, in denen er glaubt, wieder nach Hause zu kommen, freut er sich darauf, mit Buch und Lupe am Esstisch zu sitzen und darin zu blättern. 

Ich hoffe so sehr, dass der Gatte bald nach Hause kommen kann.

Hier gilt seit mittlerweile 282 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Diese Woche musste ich nach Hamburg. Nach mehr als sechs Wochen, in denen ich nur in der Kleinstadt unterwegs war, war das wie ein Kulturschock. Ich hatte noch nicht mal eine Maske für den ÖPNV mit! Ich war in der alten Heimat unterwegs, kam an unserer alten Wohnung vorbei - ein merkwürdiges Gefühl. Jedenfalls war ich froh, als ich wieder zu Hause war.

Schwiegermutter käme am liebsten jedes Wochenende zu Besuch. Sie meint, ihre Besuche gäben dem Gatten Lebensmut und entlasten mich, dabei ist das Gegenteil der Fall. Sie ignoriert den Zustand ihres Sohnes total, schwärmt davon, wie schön es ist, mit uns vorm Krankenhaus zu sitzen ... Na, ich danke. 

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Mittwoch, 6. August 2025

#WMDEDGT 08/25: Krankenhaus III

Heute ist wieder der fünfte Tag des Monats, und Frau Brüllen fragt "Was machst Du eigentlich den ganzen Tag?", kurz WMDEDGT? Vielen Dank für's Sammeln!

Der Gatte ist die fünfte Woche im Krankenhaus. Das Haus ist leer ohne ihn, die Nächte sind unruhig, die Sorge ist groß. Ursprünglich war ein Krankenhausaufenthalt von zehn Tagen geplant, maximal zwei Wochen.

Ich werde mit Meldungen zu Trumps Plänen für einen Atomreaktor auf dem Mond geweckt und prüfe erstmal, ob nicht der erste April ist. Anziehen, schnelles Frühstück und Wassermelone aufschneiden. Bevor es ins Krankenhaus geht, muss ich erst die reparierte Brille des Gatten vom Optiker abholen. Über die Siedlung fliegen drei Sikorsky CH-53-Maschinen, warum auch immer. Ich sollte so was kennen, war hier doch Übungsgebiet, gab's viele Tiefflieger, als ich Kind war, lebte ich die letzten zwanzig Jahre in einer Soldatensiedlung, aber dennoch macht mir so was Angst. Als ich dem Gatten von den Hubschraubern berichte, meint er trocken, das dürften die einzigen drei Maschinen dieses Typs sein, die noch flugfähig sind. 

Ab ins Krankenhaus zum Gatten. Bei jedem Besuch ist ungewiss, was mich erwartet. Dementsprechend bin ich angespannt.

Die Stimmung ist schlecht. Der Gatte darf am Vormittag nicht raus, weil seine Füße nach der Visite neu verbunden werden müssen, aber niemand Zeit dafür hat. Er hat einen neuen Zimmernachbarn, der in sehr schlechtem Zustand ist. Die Ärzte planen für kommenden Montag eine weitere OP. Wenn ich mich nicht verzählte, wird das die siebte in diesem Jahr. Ich versuche, den Gatten aufzubauen, aber das wird immer schwerer. 

Wie jeden Tag bleibe ich bis mittags im Krankenhaus. Dann müsste ich eigentlich einkaufen, bin aber zu erschöpft und fahre nach Hause. Ich suche die Sachen zusammen, die der Gatte nachmittags mitgebracht bekommen möchte und lege mich eine Stunde hin, schlafe komatös. Eigentlich müsste ich Betten beziehen und den Vorratskeller aufräumen, damit dort kommende Woche ein neuer Stromzähler eingebaut werden kann, aber ich habe einfach keine Kraft.

Kurz vor fünfzehn Uhr fahre ich zum Bahnhof, denn Besuch aus der großen Stadt hat sich angesagt. Der Gatte freut sich sehr (und ich mich noch mehr). Der Metronom ist tatsächlich pünktlich. Der Besuch hatte in diesem Jahr schon eine Überdosis Krankenhaus und wartet daher vorm Eingang auf einer Bank, während ich den Gatten hole. Das dauert länger als gedacht, weil die Füße des Gatten noch immer nicht verbunden sind. Das soll der Chefarzt machen, der zum Glück rasch zur Nachmittagsvisite kommt. Jetzt darf der Gatte endlich raus!

Wir sitzen lange zusammen, irgendwann bei Tee, Kaffee und Kuchen, bis ich den Gatten wieder auf sein Zimmer bringe. Der Gatte hat sichtlich Spaß am Besuch. Ich habe ihn lange nicht mehr aus vollem herzen lachen gesehen! Das ist so ein schöner Anblick! Als ich den Gatten zurück auf's Zimmer schiebe, seufzt er glücklich: "Das war ein schöner Nachmittag!" 

Nachdem der Gatte für die Nacht versorgt ist, fahre ich mit dem Besuch zum Essen. Endlich mal wieder eine ordentliche Mahlzeit ... Anschließend geht's zum Bahnhof, wo der Besuch noch einen Zug früher erwischt als geplant.

Auf dem Heimweg lege ich spontan eine Vollbremsung ein: In der Parallelstraße haben Nachbarn altes Zeugs entsorgt, und darunter ist ein Tragekorb, wie der Gatte ihn mag. Dieses Exemplar ist grauer Landhausstil, ziemlich schick. Wenn der Gatte wieder zu Hause ist, wird er sich darüber freuen.  

Der Abend wird ruhig. Ich freue mich, dass ich endlich wieder die Kraft habe, Socken zu stricken.

Der Blick zurück in die ersten fünf Corona-Jahre: Am 5. August 2020 lebte Mudderns noch in ihrem Haus und ärgerte sich über die linken Nachbarn, mit denen wir auch schon eine unerfreuliche Begegnung hatten. Der Gatte war noch gesund und hatte einen Bürotag in Kurzarbeit. Das Verhältnis zu den linken Nachbarn hat sich übrigens sehr gebessert. Ich vermute, die Nachbarin hat ihren Lebensgefährten vor der Tür gesetzt. Jedenfalls gibt es kein betrunkenes Gegröle mehr. Am 5. August 2021 war der Gatte schon krank, hatte ich noch Kraft, vor der Arbeit schwimmen zu gehen. Am 5. August 2022 zeigten sich schon heftige Erschöpfungsmerkmale bei mir, begannen wir mit den Verhandlungen um einen Baukredit, den wir erst mehr als vier Monate später bekommen sollten. Am 5. August 2023 leben wir auf einer Baustelle - und ein Jahr später immer noch.

Samstag, 2. August 2025

Samstagsplausch KW 31/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXXI

Der Gatte ist jetzt vier Wochen im Krankenhaus. Es gibt eine vorsichtige Prognose, dass er noch drei weitere Wochen dort bleiben muss. Das hängt u.a. davon ab, wie der gestern gelegte Vakuumverband wirkt, ob wie geplant neue Haut über die Amputationswunde wächst. Dafür müsste auch der Gatte mitspielen, müsste nach einer leichten OP am Donnerstag u.a. Bettruhe halten und das betroffene Bein hochlegen. Ihm das zu vermitteln, ist schwer. Er will einfach nicht einsehen, dass er mitarbeiten muss, dass er andernfalls das ganze Bein verlieren kann, und ist fest davon überzeugt, nicht mehr lebend aus dem Krankenhaus zu kommen. Es ist ein Elend, und mir fehlt langsam die Kraft, gegen ihn an zu arbeiten, um ihn halbwegs in der Spur zu halten. Ich fühle mich immer öfter an die letzten Monate mit meiner Mutter erinnert. Nur: Nützt ja nichts.

Der Gatte wurde diese Woche so oft verlegt, dass ich Mittwoch, nach drei Zimmern in drei Tagen, alle faltete, die mir vor die Füße kamen, inklusive Chefarzt. Der Gatte gilt als delirant, braucht eine vertraute Umgebung mit vertrauten Personen, nicht jeden Tag ein neues Zimmer. Man will mit dem Bettenmanagement sprechen ... Ich bin gespannt, ob es etwas bringt. Dienstag saßen wir fast zwei Stunden vor dem Krankenhaus, denn Station A, wo der Gatte von Donnerstag bis Dienstag zwischengelagert war, brauchte sein Bett, und Station B, auf die der Gatte gehört, hatte noch kein Bett frei, schickte uns zurück zu Station A, wo man uns zurück zu Station B schickte ... In dem Zimmer, dass der Gatte dann bekam, durfte er eine Nacht bleiben, bevor er wieder umziehen musste. Wenn wir zusammen raus dürfen, überlegt der Gatte bei jeder Zimmernummer, ob er dort nicht auch schon mal lag. Von den siebzehn Zimmer auf der Station kennt er ganze fünf noch nicht. Ich hoffe sehr, dass er auf seiner Station bleiben kann, wo er Pflegekräfte und Ärzte kennt (und am besten auch noch im aktuellen Zimmer). 

Schwiegermutter war über das Wochenende da, was wieder sehr anstrengend war. Der Gatte fragte schon besorgt, ob er sie kommendes Wochenende wiedersehen müsse. Nein, wir haben jetzt erstmal (Schwieger-)Mutterpause. Es war nur wichtig, dass sie ihren Sohne vor und nach der OP sieht.

Montag kam eine meiner beiden Sandkastenfreundinnen spontan vorbei. "Ich wollte dich nur mal drücken und gucken, wie's bei dir aussieht!" Wie nett! Kurze Zeit später hatten sich beide Freundinnen verabredet, Donnerstag Vormittag zu kommen, um mir zu helfen. Das war ein schöner Vormittag!  Solange es noch trocken war, wurde das Holz aus dem Vorgarten vor's Gartenhäuschen unters Dach gebracht, dann gab's eine kurze Kaffeepause, bevor die Plissees ins Esszimmerfenster geklebt wurden. Während die beiden die Anleitung studierten, putzte ich schnell das Fenster. Das Anbringen der Plissees war so kompliziert, dass ich heilfroh über drei Hirne und sechs Hände war. Die Plissees mit Klick-Mechanik sind leichter anzubringen, aber beim Panoramafenster im Esszimmer muss geklebt werden. 

Seelentröster-Paket von meinen Kolleginnen.

Dienstag kam ein Seelentröster-Paket von meinen Kolleginnen an - was für eine liebe Überraschung! Chef rief an, um sich zu verabschieden, da er in ein anderes Institut wechselt. Eine nette Geste, denn wir arbeiten ja seit zwölf Jahren zusammen, die mir die Gelegenheit gab, zu fragen, wie es zu dem Arbeitsplatztausch kam. Was für ihn ein Karrieresprung ist, ist für die bisherige Stelleninhaberin, die jetzt die Leitung unseres Instituts übernimmt, nämlich ein Rückschritt. Die Begründung ist aber nachvollziehbar. Ich bin gespannt, wie es sich mit der neuen Chefin zurechtläuft, aber das Büro ist für mich aktuell ganz weit weg. Chef hatte auch noch eine gute Nachricht zur Entwicklung meines Projekt, denn es konnte etwas abgeschlossen werden, das ich offen zurückließ, bevor ich in die Freistellung ging.

Hier gilt seit mittlerweile 281 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Dieser Beitrag geht rüber zum Samstagsplausch bei Andrea. Vielen Dank für's Sammeln! Über's Kochen und Einkaufen berichte ich in der Kombüse.

Samstag, 26. Juli 2025

Samstagsplausch KW 30/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXX

Diese Woche war ein Höllenritt, vor allem für den Gatten! 

Montag erfuhr er quasi zufällig, dass er am kommenden Tag operiert werden soll. Sein behandelnder Arzt und er verpassten sich, weil wir mal wieder draußen waren - der Gatte möchte so wenig wie möglich im Krankenzimmer sein. Wir dehnten meinen Nachmittagsbesuch so lange wie irgend möglich aus und nahmen Abschied voneinander, konnten wir doch nicht wissen, wie die OP ausgeht. Die ist für einen gesunden Menschen schon belastend, und der Gatte ist alles andere als gesund, musste zwei Wochen stabilisiert werden, um die OP überhaupt durchführen zu können. 

Am Abend vor der OP des Gatten machte der Himmel Drama.

Als Dienstag um halb elf das Taschentelefon klingelte, ahnte ich Übles, denn die OP war auf fünf Stunden angesetzt, konnte unmöglich schon vorbei sein, wenn alles glatt läuft. Es war dann aber der behandelnde Arzt, der noch etwas mit mir absprechen wollte, weil er den Gatten am Vortag ja nicht sah und auf der Narkoseaufklärung die Info fehlte, dass der Gatte weiß, dass nach Möglichkeit zwei Eingriffe gleichzeitig durchgeführt werden. Damit soll dem Gatten eine weitere Narkose erspart werden, denn die Narkose ist belastend für Hirn, Herz und Nieren. Die OP hatte noch gar nicht begonnen, der Gatte war noch in der Vorbereitung. Kurz vor sechzehn Uhr klingelte das Telefon wieder: Die OP ist gut gelaufen, schneller als gedacht. Es brauchte zahlreiche Blutkonserven, der Kreislauf musste einmal stabilisiert werden, aber das sei alles im Rahmen des Eingriffs, damit habe man gerechnet. In anderthalb Stunden könne ich zum Gatten, der Arzt habe mich schon auf der Intensivstation angemeldet.

Ich machte mich auf einiges gefasst, denn schon nach der im Rückblich vergleichsweise leichten OP im April, der dritten in diesem Jahr, kämpfte der Gatte massiv mit postoperativen Delir, und in den letzten beiden Wochen glitt er ja auch ohne Betäubung immer wieder in Parallelwelten ab. Diesmal war er in noch desolaterem Zustand. Was mich insbesondere beunruhigte: Er redete immer wieder davon, dass er das alles nicht überleben werde, dass er sterben wolle. Das war neu. Ich blieb, bis der Gatte zu Abend gegessen hatte und ruhig schlief, ging dann ganz leise, um ihn nicht zu wecken. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Am kommenden Vormittag durfte ich auf der Intensivstation anrufen und erfuhr, der Gatte sei stabil, man sei zufrieden und verlege ihn im Laufe des Tages auf die Normalstation. Die Verlegung zog sich hin, und so wartete ich auf der Station auf den Gatten, räumte derweil seinen Kleiderschrank und seinen Nachttisch ein, denn er hatte schon wieder ein neues Krankenzimmer.

Der Gatte war kaum ein Stunde auf der Normalstation, als er über Brustschmerzen und Atemnot klagte. Es wurde sofort reagiert. Der behandelnde Arzt wurde im OP angerufen, um die weiteren Maßnahmen zu besprechen: Zwei EKG im Abstand von einer Stunde, Sauerstoff, Bestimmen des Troponin-Wertes, Hinzuziehen eines Kardiologen, ab auf die CPU zur Beobachtung, Herzkatheter. Der Gatte bekam derweil aus reiner Panik Atemnot, sprach immer wieder davon, das alles nicht zu überleben, war völlig damit überfordert, auf die CPU verlegt zu werden. Ich blieb wieder so lange wie möglich bei ihm auf der CPU. Als ich ging, traf ich zufällig auf seinen behandelnden Arzt, der versuchte, mich zu beruhigen. Er ging extra zum Gatten auf die CPU, um sich selbst ein Bild zu verschaffen, und rief später bei mir an, versuchte wieder, mich zu beruhigen. 

Die Nacht verging Gott sei Dank ohne Anruf aus dem Krankenhaus.

Donnerstag Vormittag erledigte ich einige Telefonate, informierte u.a. ungeachtet der aktuellen Situation des Gatten den Sozialdienst des Krankenhauses darüber, dass der Gatte ins Anschlussheilverfahren möchte. Der Gatte rief zwei Mal an, was erstaunlich ist, da er sein Taschentelefon nur selten benutzt, weil die Bedienung für ihn zu schwer ist. Er war desorientiert, meinte immer wieder, das alles nicht zu überleben, wollte, dass ich unbedingt zu Besuch komme, aber auf der CPU ist erst ab 14 Uhr Besuchszeit. Da der Gatte telefonieren konnte, sparte ich mir den Anruf auf der CPU, ging davon aus, dass alles in Ordnung ist. 

Kurz nach dem zweiten Telefonat mit dem Gatten rief eine Schwester von der Normalstation an: Ich möge bitte kommen und die Sachen des Gatten abholen, der käme ja nicht mehr wieder. Äh, bitte was?! 

Auf der CPU war telefonisch niemand zu erreichen, da dauerbesetzt, und so fuhr ich ungeachtet der offiziellen Besuchszeiten ins Krankenhaus. Ich sammelte zuerst die Sachen des Gatten ein - logisches Vorgehen war in der Situation nicht mehr so meins. Als mir die Schwester auch noch erklärte, dass ich die Telefonkarte an der Info abgeben müsse, um das Guthaben zurückzubekommen, ging ich endgültig davon aus, dass der Gatte gestorben ist. Ich brachte das ganze Geraffel ins Karlchen und machte mich dann auf zur CPU, wo noch keine Besuchszeit war, wo man mir aber dennoch die Tür öffnete. Ich erfuhr, dass der Gatte lebt und gerade zum Herzkatheter wäre. Das könne dauern, ich könne in der Cafeteria warten. Da wir in Krankenhausnähe wohnen, entschied ich mich, nach Hause zu fahren. Da war ich gerade angekommen, als das Krankenhaus wieder anrief: Der Gatte sei schon wieder auf der CPU, es ging alles schneller als gedacht. Also wieder zurück ins Krankenhaus. Muss ich sagen, dass ich erleichtert war, den Gatten lebend vorzufinden?! Ich bat um ein Arztgespräch, und wir erfuhren, dass der Gatte keinen Herzinfarkt hatte, die Beschwerden vom eskalierenden Blutdruck kamen. Den versucht man nun in den Griff zu bekommen. Der Gatte bekam ein Nitrospray.

Kurze Zeit später stapelten sich die freundliche Dame von der Krankenhausbibliothek samt Bücherwagen und vier Schwester im Zimmer des Gatten. Der Gatte sollte verlegt werden, wollte sich aber partout noch ein Buch aussuchen. Okay, wenn er der Meinung ist, ein Buch lesen zu wollen, hat das mit dem Sterben wohl noch etwas Zeit. Nachdem der Ausleihvorgang und die Patientenübergabe abgeschlossen waren, wurde der Gatte auf eine Normalstation verschoben, ins fünfte Zimmer in drei Tagen. Bis 18 Uhr musste der Gatte noch Bettruhe halten, dann durfte ich ihn nach draußen schieben - was für eine Freude für ihn! Vorher kam noch sein behandelnder Arzt vorbei. Er scheint ganz zufrieden zu sein und unterstützt den Wunsch des Gatten nach einer Anschlussheilbehandlung. Wenn's klappt, geht der Gatte direkt vom Krankenhaus in die Reha. 

Hier gilt seit mittlerweile 280 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.   

Was dem Gatten neben seinen körperlichen Beschwerden zu schaffen macht, ist die Praxis des hiesigen Krankenhauses, dass man nach jedem Eingriff / jeder Untersuchung außerhalb des Zimmers in ein neues Zimmer kommen kann. Der Gatte hatte alleine diese Woche fünf verschiedene Zimmer, die noch nicht mal auf derselben Station waren, sondern in anderen Trakten sind, wo gerade Platz ist. Aktuell liegt er auf der Bauch-Chirurgie. Ich bin gespannt, wann ich ihn im Kreißsaal wiederfinde. 

Abgesehen davon, dass die ständigen Wechsel den Gatten noch verwirrter machen, als er ohnehin schon ist, muss auch jedes Mal sein ganzes Geraffel mit. Inzwischen habe ich einen Koffer im Auto, nehme abends das meiste aus seinem Zimmer mit, weil ich ja nicht weiß, wo er morgens ist. Und jedes Mal verschwindet was vom Geraffel. Das bindet auch ohne Ende Arbeitskräfte. Pflegekräfte müssen das Geraffel packen, Ärzte suchen ihre Patienten, das Essen muss von einer Station auf die andere gebracht werden, ebenso die Medikamente ...

Hygienisch finde ich das auch äußerst bedenklich, denn die Zimmer werden mitnichten vorm Bettenwechsel gereinigt. Kein Wunder, dass der Gatte sich jedes Mal einen Keim einfängt. Ich habe inzwischen eine Magnumflasche Sagrotan an der Frau. Hintergrund des ständigen Zimmerwechsel ist, dass die Station, auf die der Gatte gehört, überfüllt ist (aktuell auch 4 Iso-Fälle - warum wohl?!). Anstatt die Neuzugänge woanders unterzubringen, verlegt man die "Alt-Patienten". Es ist ein Elend. Ich bin gespannt, wo ich den Gatten heute wiederfinde. Immerhin kam er gestern nach einem Ultraschall, zu dem er im Bett geschoben wurde, wieder in sein Zimmer zurück.

Seit gestern Nachmittag steht ein zweiter Nachttisch im aktuellen Zimmer. Auf der dazugehörigen Tablettendose stehen zwei Zimmernummern. Da nach Stunden noch immer kein Bett kam, nur Leute, die nach dem Patienten fragten, irrt der vermutlich samt Bett durchs Krankenhaus. 

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Sonntag, 20. Juli 2025

Samstagsplausch KW 29/25: Leben und Arbeiten in Corona-Zeiten CCLXXIX

"Ich will nicht den ganzen Sommer im Krankenhaus bleiben!", rief der Gatte gestern verzweifelt, als wir vor dem Krankenhaus in der Sonne saßen. Normalerweise hätten wir einen langen Sommerabend mit Grillgut, Sangria und Häppchen an der Hummelrast genossen. Wer weiß, wann das mal wieder möglich ist - und ob überhaupt?! 

Der Gatte ist jetzt schon die zweite Woche im Krankenhaus. Es geht weiterhin einen Schritt vorwärts und zwei zurück. Der OP-Termin wird in letzter Minute immer wieder verschoben. Der Chefarzt ist vorsichtig optimistisch, kommende Woche operieren zu können. Das war er in dieser Woche auch schon - und in der letzten Woche. 

Der Zustand des Gatten hat sich laut den Ärzten konsolidiert, fast alle Blutwerte sind besser geworden nach gefühlt endlosen Infusionen. Dennoch: Der Gatte ist sehr schwach, isst und trinkt zu wenig, taucht in Parallelwelten ab, kann sich kaum noch bewegen, schläft viel. Ich bin weiterhin zwei Mal täglich bei ihm, aber nicht mehr so lange, weil ihn meine Besuche anstrengen. Mich erinnert das alles fatal an das letzte dreiviertel Jahr mit meiner Mutter. Kraft, Hoffnung und Zuversicht schwinden zusehends. 

Hier gilt seit mittlerweile 279 Wochen: Der Gatte und ich sind weitgehend zu Hause. Im ersten Corona-Jahr wurde der Gatte schwerkrank, im zweiten zeigte sich, dass er nicht mehr gesunden wird, im vierten hatte er einen Schlaganfall. Er ist schwerbehindert und berufsunfähig verrentet. Es geht uns dennoch vergleichsweise gut. Wir halten es gut miteinander aus, wenngleich die Erkrankungen und der Schlaganfall des Gatten zu Wesensveränderungen führten, die ein Zusammenleben manchmal sehr schwer machen. 

Unsere Kontakte sind normalerweise auf das Notwendigste beschränkt, heißt: Arbeit, Ärzte, Einkaufen, Schwiegermutter und Handwerker. Ich bin dankbar, dass Corona bislang Gatten, Schwiegermutter und Tante verschonte, und hoffe sehr, das bleibt so.  

Von Sonnabend auf Sonntag war Schwiegermutter zu Besuch, was sehr anstrengend war, muss sie doch immer im Mittelpunkt stehen. Ich hatte sie im Hotel untergebracht, aber natürlich wollte sie auch das Haus sehen. Sie will sich, wenn der Gatte wieder zu Hause ist, länger im Hotel einquartieren, um Haus und Garten auf Vordermann zu bringen. Na, ich danke! Den Vorgarten möchte sie schottern, alle hier noch stehenden Umzugskisten unbesehen entsorgen, weil darin ja nur meine Bücher wären, und das sind ja eh nur Staubfänger, und die Zimmer, an denen der Gatte noch arbeitet, will sie fertig einrichten. Ja, nee, is klaa. 

Durch Schwiegermutters Besuch kam ich aber immerhin zu einem ordentlich Abendessen und zu einem ordentlichen Frühstück. Seit zwei Tagen schaffe ich es auch, mir wieder echtes Essen zuzubereiten, nicht nur Fertigfutter. 

Diese Woche war die Jahrespressekonferenz für mein Projekt. Da ich zurzeit freigestellt bin, fiel die Durchführung meiner Kollegin zu, und sie meisterte es grandios! Mich freute, dass sie in einigen Veröffentlichungen auch namentlich erwähnt wurde. Ich hatte erst überlegt, ob ich bis zur Pressekonferenz irgendwie durchhalte, dachte mir dann aber, dass meine Kollegin sich freischwimmen müsse, ich hier nicht auf Teufel komm raus stark sein müsse. Die Kollegin war schon in den letzten zwei, drei Jahren bei allen Vorbereitungen und -besprechungen dabei, wurde also nicht ahnungslos ins kalte Wasser geworfen, hatte zudem die Unterstützung des ganzen Teams. Jetzt hat sie wirklich alle Facetten des Projekts durchgespielt und ist fit, die Projektleitung ganz zu übernehmen, wenn ich in zwei Jahren in Rente gehe, um Zeit mit dem Gatten zu genießen. So ist zumindest der Plan, Mal schauen, was die Gesundheit des Gatten dazu sagt.

Die Chefin bat um ein Telefonat und stellte dabei erstaunt fest, dass ich tatsächlich nicht in meine Dienstmails schaue, wenn ich dienstfrei habe. So erfuhr ich dann erst durch sie, dass unser Chef uns sehr kurzfristig verlässt, wir ebenso kurzfristig eine neue Chefin bekommen als Vorgesetzte für das gesamte Institut. Soll sein. Für mich gibt es aktuell Wichtigeres.

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